Wer den 1. Teil unserer Winterreise bereits gelesen hat, der weiß vielleicht noch, dass wir in Nordmarokko an der Mittelmeerküste entlanggefahren sind. Auf der Suche nach einem ruhigen Übernachtungsplatz, um etwas Schlaf nachzuholen.


Von der Mittelmeerküste ins Rif-Gebirge

Das mit dem ruhigen Platz gelingt uns auch – und das, obwohl dieser nicht ganz so abgelegen ist. Wer noch nie in Marokko war: wenn Du beim Freistehen nicht möchtest, dass alle Stunde einer daher gelatscht kommt, dann musst Du schon weit weg in die Pampa – wo wirklich niemand mehr ist. Dann kommen vielleicht nur ein oder zwei Leute am Tag.

Wir stehen in einer Fluss-Schleife. Vor uns das Wasser, hinter uns ein paar Felder. Auf einem dreht gerade ein Teenager die Erde um, mit zwei Eseln und einem Holzpflug. Er ist glaube ich nicht ganz so gut gelaunt, also lassen wir ihn weitermachen und ich fotografiere ihn auch nicht. Tatsächlich kommt alle Stunde jemand daher: Zwei Mädels mit fünf Schafen, oder ein Mann mit zwei Kühen. Sie winken, rufen uns ein Bonjour oder Salam zu, quatschen uns aber sonst nicht an.

Auch angesichts der hiesigen Kleidung sind wir ein kleines bisschen verwirrt. Die Frauen tragen eine leicht trachten ähnliche Arbeitskleidung, mit rot-weiß gestreifter Rockschürze und Strohhut. Pragmatische Arbeitskleidung für die Feldarbeit.

Wir bleiben nur eine Nacht, und ich schlafe heute tatsächlich sehr gut. Am nächsten Morgen geht es am späteren Vormittag weiter. Wir wollen nach Chefchaouen, die blaue Stadt im Rif-Gebirge.

Der Weg dorthin ist landschaftlich wunderschön. Massive Felsen, Schluchten, eine ansehnliche Vegetation, zwischendurch immer wieder kleine Dörfer mit Leuten am Straßenrand, die uns immer wieder nett zuwinken. Das ist es also, das sagenumwobene Rif-Gebirge. Gefährlich soll es sein, die Drogenbarone sollen hier wohnen. Also für den Moment sehe ich nur eine Oma mit Strohhut, die ihre drei Schafe weiden lässt.

Wir fahren weiter, und die Landschaft wird immer schöner. Felsiger, mit Schluchten und so. Dieser Talassemtane Nationalpark, ich denke da müssen wir nochmal hin. Und nicht nur durchfahren, ich denke da kann man auch für etwas länger hin.

Heute ist es übrigens nur ein Huhn, dass in selbstmörderischer Absicht vor den Laster rennt. Ich weiß auch nicht, was da los ist. Der Laster ist ja nicht gerade leise, gerade beim bergauf fahren. Selbst ein blindes Huhn muss uns doch kommen hören?


Chefchaouen, die erste Runde

Nachdem wir auf der Fahrt hierher kein einziges Wohnmobil gesichtet haben, kommen wir also in Chefchaouen auf dem Campingplatz an. Ach, hier sind sie alle.

In Chefchaouen steht bereits ein Bekannter, den wir vor ein paar Jahren mal in Deutschland über den Weg gefahren sind. Also stellen wir uns auch auf den örtlichen Campingplatz. Der auch ganz nett ist, an einem Waldrand gelegen. Ist für uns Hundebesitzer ja nicht ganz unwichtig, denn gerade bei Stadtbesuchen, wenn die Hunde stundenlang im Auto hocken, ist eine gute Erschließung an eine Gassizone nicht ganz unwichtig.

Der Platz macht einen guten Eindruck, und man verspricht uns, dass er auch nicht so laut sein soll. Aber auch nicht so leise. Na, ich bin gespannt.

Der Campingplatz liegt auf 680m ü.d.M. und oberhalb der Stadt. Die Stadt selbst liegt am Hang, und der Stadtrundgang hat mitunter durchaus einige Treppen im Repertoire. Geht aber ganz gut. Und das Mittagessen zu verdauen, das kann ja nicht schaden.

Wir bereuen es schnell, dass wir bei der ersten Runde durch die Medina unsere Kameras nicht dabeihaben. Spätestens jetzt ist uns klar: hier bleiben wir ein paar Tage. Chefchaouen ist die schönste Stadt, die wir bisher in Marokko erkundet haben. Okay, ich gebe es zu, in sooo vielen Städten waren wir bisher nicht. Und, liebe Freunde des Nippes, hier kann man richtig feinen Dekokram kaufen.

Sie hatten übrigens recht, der Platz ist nicht sehr leise. Okay, zwischen 1 und 6 Uhr vielleicht schon. Ansonsten braucht es schon einen tiefen Schlaf, um die Fußballer, die Hunde, die Mullahs und den Verkehr zu überhöhen. Was ich Menschen mit tiefem Schlaf beneide!


Chefchaouen aus Sicht des Fototouristen

An Tag 2 geht es also nochmals in die Stadt, und zwar mit der guten Kamera.

Die Medina von Chefchaouen ist nicht nur optisch ansprechend. Gut, manchmal haben sie es mit der blauen Farbe übertrieben, aber meist sieht es tatsächlich gut aus. Die blaue Farbe soll wohl den „Bösen Blick“ abwehren. Und ich schätze, weil es auch Touristen anlockt, hat man noch ein bisschen mehr blau angemalt. Was freilich total legitim ist.

Was es in Chefchaouen noch gibt, das sind Katzen. In allen Farben, Formen und Gesundheitszuständen. In der Altstadt wie auch auf dem Campingplatz.

Wobei die Katzen auf dem Camping echt selbstbewusst sind. Also die Teenager-Katze weiß zumindest, wie sie die Hunde wegfauchen muss. Ziva lässt sich davon auch sehr beeindrucken. Sie kann den Rückwärtsgang einlegen, das sieht schon fast wie Slapstick aus. Sie können wir sogar auf dem Platz frei laufen lassen: Katzen, Hühner und Hunde, kein Problem. Ziva ist immer darauf bedacht, keine auf die Mütze zu bekommen.

Max hingegen, dem ist nicht mehr zu helfen. Da hilft nur noch die Leine.

Was man in Chefchaouen gut machen kann, ist sich bekochen zu lassen. Drei Nächte stehen wir auf dem Campingplatz, dreimal gehen wir essen. Okay, einmal davon ist es „nur“ ein Frühstück. Dass man um 11 Uhr noch Frühstück serviert bekommt, sehr angenehm. Das ist meine Stadt!

Und direkt unter unserem Frühstücks-Restaurant gibt es dann auch noch genau meinen Laden!

Leider sind die interessanteren Objekte zu groß, oder der Laster ist einfach zu klein. Egal ob Traumfänger oder Teppich, ich kann doch nicht schon in der ersten Woche in Marokko den Laster vollstopfen! Also kaufen wir uns einen Schal und eine Kaffeetasse. Ist ja auch viel billiger so …

Weiter geht es durch die nächsten Gassen:

Die Medina von Chefchaouen ist sehr entspannt. Es gibt einen Hauptplatz. Den steuert man vom Campingplatz kommend an, und zurück zum Camping geht man die andere Richtung. Sich zu verlaufen ist recht schwer. Man muss etwas auf die Höhenmeter aufpassen. Aber auch nicht ernsthaft, denn das Taxi kostet auch nur ein paar Dirham.

Hier noch die restliche Foto-Ausbeute des Tages:


Eine Quadtour ins Rif Gebirge

Am Tag davor haben wir zu lange rumgedüddelt, also machen wir sie heute, die Quadtour. Der Nachbar fährt mit seinem Moped mit. Es geht über viele Pistenkilometer den Berg hoch, dann wieder runter, und dann wieder hoch, und wieder runter … Na, ihr wisst schon.

Andere Menschen laufen den Berg hoch, man nennt das glaube ich wandern. Fände ich jetzt recht anstrengend, und auch nicht so wahnsinnig spannend. Der Weg ist nämlich nur eine Schotterpiste, und das kilometerlang. Die Landschaft ist durchaus nett, aber angesichts der stundenlangen Latscherei … Naja, wir fahren lieber.

Und die ersten 20 Kilometer kann man sich kaum verfahren, mangels Kreuzungen, an denen man abbiegen könnte. Dann kommt irgendwann mal eine Gabelung, und wir entscheiden uns für links. Enden an ein paar Häusern, vor denen Autos stehen und die Straße blockieren. Also frage ich die netten Männer nach dem weg. Weil laut Google Maps geht da schon ein Weg durch. Doch sie winken ab, hier sei kein Weg, wir sollten hinten rum fahren. Nun, da sie erstens hier die Einheimischen sind und ich grundsätzlich nicht unnötig mit Marihuana-Großbauern über Wegerechte diskutieren möchte, drehen wir um. Beim zurück fahren sehe ich dann auch, was ich schon beim rein fahren gerochen habe: auf dem einen abgeernteten Feld liegen sehr geruchsintensive, grüne, gemahlene Haufen.

Ja, wir sind im Rif-Gebirge, Europas Haschisch Lieferant Nummer Eins. Und ich denke, dass man hier eher keine entspannte Quadtour macht, wenn die ganzen Felder hier in voller Blüte stehen. Man kann es sich vorstellen wir das Moseltal oder das Dourotal: alle Hänge sind bewirtschaftet, und seien sie noch so steil. Nur halt eben nicht mit Weinreben.

Interessanterweise waren das jetzt so ziemlich die einzigen Marokkaner der letzten Tage, die uns kein Haschisch andrehen wollten. Ansonsten ist es im Dunstkreis von Chefchaouen echt schwer, sowas nicht angeboten zu bekommen. Denn die örtlichen Verkäufer sind vielsprachig und kommunikativ.

Irgendwann finden wir wieder raus aus dem Wald. Ein paar Affen haben wir noch gesehen. Doch ich hatte die Kamera nicht zu Hand, und sie waren recht schnell auf dem Baum.

Dann waren wir noch Mittagessen, es gab marokkanischen Döner. Auch sehr lecker!

Zurück am Wohnmobil musste ich mich erst einmal aufwärmen. Denn ich hatte einen Pulli zu wenig dabei, und es wurde dann doch etwas später. Express-Aufwärmen mit integrierter Rückenmassage, das kann meine Sitzbank neuerdings. Denn meine neue Massagematte ist so sperrig, dass sie kaum wo reinpasst, und Andre auch dementsprechend „begeistert“ war, dass ich die unbedingt mitnehmen wollte. Also habe ich sie einfach auf der Sitzbank liegen.


Chefchaouen an Silvester

Wir sind wieder das Fünferteam, das am Abend nochmal in die Stadt rein geht, für einen Restaurantbesuch. Abends ist auch tatsächlich mehr los als Vormittags, gerade auf dem Hauptplatz. Silvester feiern die Marokkaner eher nicht, was uns ganz recht ist – so finden wir auch so recht schnell einen Platz im vorher ausgesuchten Restaurant, auf der Dachterrassse. Ein paar Bilder vom Abend:


Nach Stadt kommt See

Am nächsten Morgen machen wir raus aus der Stadt. Drei Nächte auf einem Campingplatz, das hatten wir aber auch schon lange nicht mehr …

Tatsächlich schaffen wir es aus der Stadt raus, ohne uns dabei noch aus Versehen mit dem Laster in die Medina zu fahren.

Wir steuern einen See an. 107 Kilometer und 2,5 Stunden, sagt das Navi. Mit dem Laster also eher 3 Stunden. Es wurden dann 4,5 Stunden. Und nein, es lag nicht daran, dass wir unterwegs noch kurz einkaufen waren.

Es lag eher an den sehr … „abwechslungsreichen“ Straßenzuständen.

Es fängt ja ganz brauchbar an, und dass die Landschaft aussieht wie im Alentejo in Portugal, das finde ich ja auch ganz reizend.

Doch irgendwie wird die Straße immer „abwechlungsreicher“.

Und wo im Winter das Wasser über die Straße rauscht, da sind die lustigen 3cm Straßenbelag dann halt weg.

Und ja, das geht gut 70 Kilometer der insgesamt 100 Kilometer so. Wie gesagt, Viereinhalb Stunden.

Zwischendurch ist die Landschaft wunderschön, und die Menschen winken uns ständig zu. Man merkt, hier sehen sie sonst keine Wohnmobile. Okay, es wäre auch leicht wahnsinnig, hier mit einem Joghurtbecher fahren zu wollen. Weil man kommt aus der Nummer auch nicht vorzeitig raus. Es gibt nur vor und zurück, keine Abzweigung auf eine hübsche, glatte Nationalstraße.

Die Leute machen einen netten Eindruck. Hier wohnen die Olivenbauern – an jeden Hang sind Olivenbäume gepflanzt. Im Gegensatz zu Portugal oder Spanien werden diese aber nicht beschnitten, sondern man lässt sie einfach wachsen. Und klopft zur Ernte dann die Oliven mit einem (sehr) langen Stock vom Baum.

Was mir hier überhaupt nicht gefällt, ist einzig und allein der Müll. Sobald man an ein Dorf ranfährt, Plastik ohne Ende. Am Straßenrand, im Straßengraben, einfach überall. Das habe ich bisher noch nicht gesehen. Kinder sitzen nach der Schule auf der Wiese, inmitten von Plastik. Tiere suchen neben der Straße nach Futter, finden Plastik.

Wenn man es nicht anders kennt und damit aufwächst und lebt, ist es vermutlich nicht ganz so dramatisch, wie es auf mich heute gewirkt hat.

Und klar, hier und da gibt es die Müllhalde. Also es gibt einmal die Halde selbst, und dann gibt es das Plastik, das durch die Gegend fliegt.

Irgendwann kommen wir an, am Ufer des gut gefüllten Stausees.

Es ist kein sehr schöner Platz, auch wenn das Bild, das Andre am Abend gemacht hat, durchaus schön ist. Der Boden ist heimtückisch. Die Oberfläche ist eine Kruste, doch darunter ist purer Schlamm. Und so schauen wir beim Einparken, dass wir mit dem Laster immer schön mit mindestens zwei Reifen auf den Teerresten der alten Straße bleiben.

Ach ja, die Natur um uns herum ist sehr stachelig. Jede Pflanze hat ungefähr 30 Stachel-Bobbels. Bis auf Ziva traut sich daher keiner ins Gemüse. Wie Ziva das macht, dass die Bobbels nicht an ihr kleben bleiben, keine Ahnung.

Aber ruhig ist es! Herrlich!

So, vom nächsten Fahrtag gibt es auch noch einen kleinen Abriss. Eigentlich ist es wie gestern: die Menschen sind nett, die Straße ist noch schlechter, die Landschaft ist super, die Ortschaften sind zugemüllt. Es gibt jede Menge Olivenbäume, und Menschen, die uns zuwinken.

Wir kommen durch ein paar Dörfer, die durchaus den Eindruck machen, als wäre der Wohlstand hier eher nicht so gleichmäßig verteilt. Vieles ist sehr einfach, und man sieht Frauen, die mit den Eseln am Dorfbrunnen Wasser holen.

Währen die Männer mit den anderen Eseln den Acker bepflügen. Oder die Schafe ausführen.

Wenn ich noch durch ein paar solcher Dörfer mehr fahre, dann komme ich noch drauf, dass es zwischen dem geringen Wohlstand und dem hohen Plastikaufkommen einen Zusammenhang gibt.

Wir fahren aus den Bergen raus und landen wieder auf einer Nationalstraße. Fast ohne Schlaglöcher! Auf der fahren wir freilich nicht lange, sondern biegen wieder mal in eine Dorfstraße ab, um unseren heutigen Übernachtungsplatz anzusteuern. Und gehen erstmal am Straßenrand eine neue Tajine kaufen. Der Ladenbesitzer schaut recht glücklich, denn diese Ausländer, die zahlen einfach so den Preis, den er ihnen vorschlägt. Aber mal ehrlich, 4€ für eine handgeklöppfelte Tajine mit Metallring, was soll ich den alten Mann da noch groß runterhandeln. Soll er sich freuen.

Den Tag und diesen 2. Teil der diesjährigen Winterreise schließen wir also hiermit ab.

Teil 3 wird übrigens nicht allzu lange auf sich warten lassen, denn wir steuern Fes an. Fes hat die größte Medina von ganz Nordafrika. Fes ist eine der vier Königsstädte in Marokko. Könnte also sein, dass Ihr bald ganz viele Fotos aus Fes anschauen müsst.

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