Wie langweilig ist das Leben im Wohnmobil wirklich? Und ist es denn nicht total langweilig, immer nur mit dem Wohnmobil in Portugal rumzudümpeln? Hier kommt sie, die 48-Stunden-Reportage aus Portugal. Zwei Tage aus dem Leben im Wohnmobil.


Mittwochvormittag. Seit ungefähr drei Nächten stehen wir auf dem abgelegenen Strandparkplatz, gleich hinter einer Düne, ganz in der Nähe von Figeuira da Foz. Die Düne ist ganz praktisch, schluckt sie doch viel von der tobenden Brandung. Der Atlantik kann, gerade wenn nachts die Flut kommt, nämlich ganz schön laut werden. Aber hier geht es. Und so werde ich wie jeden Morgen von den Quietschehunden geweckt. Nein, das sind nicht unsere Köters. Sondern die jungen, hyperaktiven Jagdhunde in Ausbildung, die hier jeden Morgen durch die Büsche flitzen. Es gibt zwei Jäger, die immer hierherkommen. Einer hat seine Hunde im Hänger, der Andere transportiert sie im Kofferraum. Und beide haben mehrere Hunde. Und nicht immer dürfen alle Hunde gleichzeitig raus. Was die Hunde, die im Auto bleiben müssen, total scheiße finden. Und deshalb so lange bellen, bis ich wach bin.

Aber das macht nichts, denn nach den Hunden kommen die täglichen Gleitschirmflieger mit dem Rasenmäher. Hier muss ich sagen: ich kann den Wunsch nach dem Fliegen sehr gut nachvollziehen. Aber mit einem Monsterpropeller auf dem Rücken? Der so einen Krach macht, dass man beim Fliegen einen monströsen Hörschutz tragen muss? Na was soll’s, nach einer Stunde sind sie ja wieder weg.

Mittwochnachmittag. Gegen fünf Uhr begeben wir uns ins nahe gelegene Dorf Leirosa. Auf gut Glück und in der Hoffnung, dass heute die „Arte Xávega“ stattfindet. Zumindest ist einiges los, vermutlich sitzen wirklich alle ältere Herrschaften aus dem Dorf auf dem Mäuerchen zum Strand. Das lässt hoffen, und so frage ich eine reifere Dame nach der Arte Xávega. Sie sagt, dass es um sechs Uhr losgeht – und erklärt mir noch gestenreich, was wann wo stattfindet. Zum Glück kann ich Pantomimisch, denn mein Portugiesisch reicht dafür kaum aus.

Sechs Uhr hört sich super an, das ist in einer Stunde. Wir bummeln eine Runde durch den Ort, holen uns ein Magnum Mandel im Minimercado, schauen in die kleinen Gassen.

Dann setzen wir uns auf den Wellenbrecher, der den Strand schützt, und warten.

Haben Zeit für Beobachtungen. Was heute extrem auffällt ist, dass das Wärmeempfinden der Portugiesen sehr seltsam ist. Im April rennen sie mit dem Parker rum – egal, ob es 13 oder 30 Grad hat. Ist ja April, da braucht man eine dicke Jacke. Im August liegen sie bei 20 Grad im Bikini am Strand – und gehen im 16 Grad kalten Atlantik baden. Ist ja August, da ist es heiß in Portugal. Wir sind derweil die Einzigen, die einen Pulli anhaben.

Nur die zwei Jungs in ihren Neopren sind wärmer angezogen, aber die gehen ja auch im Atlantik baden. Sie suchen wohl nach Entenmuscheln, und das recht erfolglos.

Wir vertreiben uns die Zeit damit, Max als Fotomodell zu missbrauchen.

Sechs Uhr ist rum, und es tut sich nichts. Na gut, wir sind in Portugal, sind wohl einfach nicht ganz pünktlich. Ich latsche mal vor zur Straße und hole uns einen Snack. Diese komischen gelben Bohnen, die die Portugiesen so gerne snacken.

Naja, man kann’s essen. Und ist bestimmt gesünder als Süßkram. Vor allem aber vertreibt es das Magenknurren. Außer bei Max, der findet die etwas salzigen Teile eine Zumutung.

Mittlerweise ist es sieben Uhr, und es tut sich immer weniger. Das Boot liegt immer noch einen Kilometer südlich von uns am Strand, aber jetzt sind die Traktoren und Menschen weg. Uns wird klar, da tut sich heute nichts mehr. Vielleicht wegen des mäßigen Wetters? Wir machen uns auf den Heimweg, denn erstens tut sich heute wohl nichts mehr, und zweitens signalisiert Max sehr deutlich, dass er kurz vor dem Hungertod steht.

Als wir nach Hause kommen, entdecken wir frische Spuren im Sand. Na super, während wir weg waren, haben die das Boot quasi direkt bei uns am Wohnmobil und einmal komplett hinter der Düne zum Strand runtergezogen. Ist man einmal nicht zu Hause…

Für den Donnerstagmorgen stellt sich Andre den Wecker auf halb sechs. Denn vielleicht habe ich die alte Dame nur falsch verstanden, und sie sprach von sechs Uhr morgens? Halbstündlich steigt Andre auf die Düne vor unserem Übernachtungsplatz um nachzuschauen, ob sich was tut. Ich schlafe derweil, wenn auch mehr schlecht als recht, denn mein halbwaches Ich bekommt durchaus mit, dass ständig die Türe geht.

Um sieben Uhr höre ich dann ein „Es geht los!“. Etwas Langhaariges turnt im Wohnmobil rum, greift sich Kamera und Stativ, und ist schon wieder aus dem Womo draußen. Ich schäle mir derweil mühsam aus dem Bett und versuche, beim Aufstehen nicht aus dem Alkoven zu fallen. Erfolgreich ziehe ich mir Pulli und Hose (sogar richtigrum!) an, schnappe mir die Kamera und los geht’s.

Während ich mich schlaftrunken den Strand runter schleppe, es ist etwa ein Kilometer bis zum Schauplatz, ist Andre nochmal zurück zum Womo, um das Stativ reinzutun. Fünf Minuten später überholt mich eine kleine braune Fellwurst. Sieht aus wie Max, kann aber gar nicht sein, weil Max ist vor zehn Uhr eigentlich nicht ansprechbar. Aber gut, ich ja eigentlich auch nicht, und hier sind wir nun.

Arte Xávega

Die „Arte Xávega“ (sprich Arte Schawega) ist eine portugiesisch-traditionelle Fischfangmethode. Früher wie heute fährt man mit dem Boot raus um das Schleppnetz auszubringen. Früher hatte das Boot nur zwei Paddel. Die sind heute eher Deko, denn es gibt einen kleinen Außenborder, elegant ins Boot eingelassen. Reingeholt wird das Netz dann vom Strand aus. Früher haben Ochsen an den Seilen gezogen, heute übernehmen das die Seilwinden, so Spezialteile, die an den Traktoren befestigt sind.

Wie wir am Platz des Geschehens ankommen, sind sie gerade dabei das Netz einzuholen. Noch ist nicht viel davon zu sehen. Zwei kleine Traktoren stehen am Strand, hinten dran haben sie eine Seilwinde, und alle zwei Sekunden kommt ein Meter Seil mehr auf den Hänger. Die Traktoren stehen 30 Meter voneinander entfernt am Strand, und erst, als das Netz näherkommt, fahren sie aufeinander zu, um das Netz zu schließen. Am Ende stehen sie ganz dicht beieinander, und es braucht nur noch einige Meter bis das Netz an Land ist.

Und das Netz muss wohl ungewöhnlich voll sein, zumindest interpretiere ich die begeisterten Laute dementsprechend. Im Folgenden wird der Fang direkt vom Netz aussortiert, jede Fischart bekommt seine eigene Box, die vielen Sardinen bekommen viele Boxen.

Goldig war der einzige Junge, der dabei war, keine 10 Jahre alt. Er hat mir den Guide gemacht, und wollte mir dabei helfen, gute Fotos zu knipsen. Indem er den Möwen einzelne, kleine Sardinen zugeworfen hat. Geholfen hat es leider nicht, die Möwen waren einfach zu schnell beim Fischeklauen um sie inflagranti zu erwischen.

Nach einer Stunde und so ist der große Spuk vorbei, und wir treten den Heimweg an.

Es ist halb Zehn, Zeit für Frühstück. Das besteht aus zwei bis drei Kaffee, die ich runterkippe, während ich auf den Bildschirm starre und die Bilder des Morgens sichte und entwickle.

40 Kilometer in 5 Stunden

Es wird Zeit, wir sollten weiter ziehen. Wir wollen etwas Strandhopping machen, also immer die Küste entlang nach Norden. Und so packen wir gegen Mittag unsere Sachen. Und da passiert es: ich fahre mich fest. Und das aufgrund extremer Faulheit. Denn ich dachte das passt schon, ich kann in einem Zug wenden. Doch am Rande des Parkplatzes ist ein Sandloch. Und in das fahre ich mit einem Rad rein. Das zweite Rad bricht dann auch gleich durch die Grasnabe, und ich stecke im Sand fest, es geht nichts mehr. Ich versuche noch, ob ich mich rausschaukeln kann, aber da bewegt sich gar nichts.

Andre findet das irgendwie lustig, und ausnahmsweise drehen wir den Spieß um, er darf mich auch mal rausziehen. Der Fahrtag geht ja gut los, ich bin gespannt, was da noch kommt.

Figueira da Foz

Damit dieser Plan kein vorzeitiges Ende nimmt, geht es erst einmal in die Stadt, zum Tanken. Und da der Sprit beim E.Leclerc um fünf Cents pro Liter günstiger ist, wenn man vorher einkauft, geht es vorher noch einkaufen. Und weil der Laden so groß ist, dauert das direkt ein Stündchen. Dafür haben wir jetzt ein paar hübsche neue Sachen in der Küche: eine typisch portugiesische Auflaufform, die nur vielleicht in den Backofen passt. Ein ovales Schneidebrett aus Massivholz. Und eine Bambus-Melamin Salatschüssel. Ach ja, und Essen und Trinken für die nächsten 2-3 Tage. Für länger kaufe ich gerade nicht ein, denn wenn wir ständig am Fahren sind, kommt man ja auch ständig an irgendeinem Supermarkt vorbei.

Tizon chillt derweil im Ducato.

Tizon Ducatolein

Dann geht es zum Cabo Mondego, ein Aussichtspunkt mit schöner Aussicht, und durchaus einen Zwischenstopp wert.

Unser eigentliches Ziel ist aber ein Lost Place – eine alte Betonfabrik. Der Weg dorthin ist ein ganz Besonderer. Eine steile, mit Schlaglöchern und Auswaschungen gespickte Piste.

Erst geht sie runter, und auf der anderen Seite wieder hoch. Ich fahre vor, und berichte Andre meine Eindrücke. „Oh je“, „Auswaschungen des Todes“, „bissle steil hier, aber schöne Aussicht“. Das scheint ihn doch etwas abzuschrecken, und er beschließt umzudrehen und den Weg, den wir gekommen sind, wieder zurück zu fahren.

Ich fahre das Stück durch, und es sind eigentlich nur 100 Meter, die kritisch sind – mit dem Vario aber durchaus sehr kritisch. Es ist steil, schräg und hat Auswaschungen. Schon ein bisschen heftig, und ich wundere mich auch, warum hier alle zwei Minuten ein Pkw vorbeikommt. Bis mir klar wird: das sind alles Touris mit Mietwagen. Die haben wohl kein besonders gutes Navi drin. Ich bin gerade draußen, mit der Kamera in der Hand, und schmettere ihnen ein fröhliches „Bom dia“ durch ihr offenes Fenster. Eine Familie, das Kind hinten grinst sich einen, der Vater, der fährt, schaut etwas panisch.

Ach ja, in die Betonfabrik sind wir nicht reingekommen. Man hätte reinkommen können, aber es war alles abgesperrt. Und wenn die Eigentümer sich solche Mühe geben, Leute auszusperren, dann respektieren wir das und bleiben draußen.

Der nächste Ort im Norden ist nicht wirklich erwähnenswert. Denn es scheint mir ein reiner Touriort zu sein, mit Hotels und Ferienhäusern. Aber mit einem riesigen Sandstrand, und vielen Strandparkplätzen. Im Winter sicherlich ein richtig guter Platz zum Freistehen.

Es ist früher Nachmittag und ich warte darauf, dass Andre sich meldet – er weiß nämlich nicht, dass ich hier bin und ich weiß nicht wo er ist, und er geht auch nicht ans Telefon. Wie sich herausstellt, treibt er sich mal wieder auf irgendwelchen Nebenstraßen und engen Dorfgassen rum.

Eigentlich hatte ich vor hier stehen zu bleiben, doch entpuppt sich der Parkplatz als etwas zu trubelig. So düsen wir nach einem Stündchen weiter, zum nächsten gutaussehenden Plätzchen. Wir wollen ja ohnehin weiter nach Norden, da können wir auch gleich ein paar Kilometer weiter fahren.

Estrada Florestal, die Arschloch-Straße.

Ich weiß nicht wie ich draufgekommen bin, aber irgendwie habe ich der Estrada Florestal die straßenbaulichen Eigenschaften der Estrada Atlantica gedanklich zugeordnet. Die Estrada Atlantica ist eine pikfeine, frisch geteerte Straße mit parallel verlaufendem Radweg. Eine so gute Straße, man könnte sie den ganzen Tag hoch und runterfahren. Die Estrada Florestal ist das genaue Gegenteil. Eine Straße, gespickt von Schlaglöchern und einem so rauhen Belag, dass kleinere Schlaglöcher kaum auffallen.

Es sind keine vier Kilometer, aber die ziehen sich ganz schön, wenn man nur im zweiten Gang fährt. Manchmal kann ich Gas geben, manchmal muss ich kuppeln, weil es zu viele Schlaglöcher auf einmal sind, ich nicht ausweichen kann, und einfach nur drüber schleichen muss.

Irgendwann geht es dann mal links ab auf die Dreckpiste, die am Strand endet. Und die besteht eigentlich nur aus Schlaglöchern. Nach 300 Metern höre ich aus dem Funk, dass das jetzt nochmal zwei Kilometer so geht, und dass wir aktuell null Internet im Wohnmobil haben. Wollen wir das wirklich?

Wir hadern etwas. Was wäre die Alternative? Die Estrada Florestal nochmal sechs Kilometer weiter, bis zum nächsten Ort. Nein Danke. Wir wagen die zwei Kilometer und holpern immer Richtung Atlantik. Und kommen auf einem Strandparkplatz an. Mit Holzpfosten, Zäunen, und einem gigantischen Steg, der über die Düne zum Strand führt. WTF? Wer baut hier sowas hin? Und tatsächlich: zwei Pkw und ein französisches Wohnmobil stehen auf dem Parkplatz. Es sind wohl noch mehr Leute so wahnsinnig, hier rauszufahren.

Langsam wird es Abend, die Pkws fahren, das Wohnmobil bleibt. Und der Franzose holt erst mal den Moppel raus. Und dann auch noch so ein lautes Billigding. Aber da war wohl der Sprit leer, denn er läuft nicht lange. Ach, wie schade.

Gegen Sonnenuntergang gibt es Abendessen aus dem Backofen. Da wir bis auf ein halbes Brötchen mit Käse und Oliven gegen Mittag sonst nichts zu essen hatten, fällt so eine halbe Pizza für jeden als Hauptmahlzeit etwas knapp aus. Aber morgen ist ja auch noch ein Tag.

Neuer Strand, neues Glück.

Freitagmorgen, halb acht. Ich habe es als besser empfunden einfach aufzustehen, denn ich habe schlecht geträumt. Ein kurzer Blicks ins Fahrerhaus, nur um sicher zu gehen. Alles Okay, Max geht es gut. Das kann man vom Wetter nicht behaupten, dann das ist schon wieder kaputt. Keine Sonne, alles voller Nebel.

Unser Vorhaben, das Centro zu verlassen und fürs Wochenende nach Nordportugal zu fahren, hat sich in Luft aufgelöst. Denn keiner hat Bock diese fürchterliche Piste in so kurzer Zeit nochmal zu fahren. Wir müssen uns erst noch ein wenig von ihr erholen. Und wo ginge das besser als an diesem wahnsinnig tollen Strand? Ach ja, es gibt hier feinstes LTE Internet. Kein Grund also für Eile.

Der Strand hier ist ewig lang und fast menschenleer. Ich finde es ja schön, dass die „normalen“ Touristen sich immer schön brav alle an einem Strandabschnitt aufhalten. In Figueira da Foz hat sich alles auf vielleicht 1km Strand konzentriert, hunderte parkende Autos, vermutlich ein Vielfaches an Menschen. Und hier haben wir mehrere Kilometer Strand, ganz für uns alleine. Das werde ich aber erst später ausnutzen, denn die Wetterapp hat versprochen, dass es ab Mittag wieder Wetter gibt. Sonne und blauer Himmel, das wären doch eine schöne Sache.

So, das war’s. Wir machen jetzt das, was wir immer machen, um uns nicht allzu sehr langweilen zu müssen: arbeiten.

Ende.

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