43 Grad, und es wird noch heißer? Kann man machen, doch wir machen das dieses Jahr mal anders. Nach diversen Übersommerungen im warmen Süden wagen wir mal was Neues: schöner Frieren in Skandinavien, so die Idee.

Die Idee, mal nach Norwegen und Schweden zu reisen, die ist nicht neu. Die haben wir schon länger. Doch bisher immer verworfen, denn die Anreise von Portugal aus ist doch etwas länger. Ein paar Tausend Kilometer im Laster abreisen, schon bei dem Gedanken daran bricht es mir das Kreuz.

Doch ist so ein Laster ja nicht das einzig mögliche Reisevehikel. Und so tue ich es mal wieder: Fliegen. Man kann die 5000 Kilometer nämlich auch in 4 Stunden absolvieren. Andre fährt also mit dem Laster, und er nimmt die Hunde mit. Er will und muss nach Deutschland. Der Laster braucht etwas Wartung, dazu ein paar familiäre und berufliche Besuche. Dazu braucht er mich nicht, und so bleibe ich auf der Quinta Prazera. Fünf Wochen sollten es werden.


Die Anreise: Das fängt ja mal wieder gut an!

Der Abreisetag ist natürlich der bisher heißeste Tag des Sommers. Zumindest gefühlt. Der Nachbar erklärt meine Idee zu Fuß zum Bahnhof zu laufen für wahnsinnig. Recht hat er, und so lasse ich mich von ihm fahren.

Überpünktlich komme ich am Bahnhof an und habe von nun an genügend Zeit mir Gedanken darum zu machen, welches der beiden Bahngleise wohl das richtige ist.


Nirgends ist was angeschrieben. Beide Gleise sehen befahren aus. Eine weitere Frau kommt am Bahnhof an, ähnlich ratlos. Wir entscheiden uns für Gleis 1, und der vorbei trottende Opa meinte dann auch, dass Gleis 1 schon richtig ist. Also gut.

Die Frau heißt Audrey, ist halb Jamaikanerin, halb Schottin, wohnt in London, hat die Welt bereist und sich nun ein Stückchen Land in unserem Nachbardorf gekauft. Und sie will auch nach Lissabon. Geteiltes Leid ist halbes Leid, und so schwitzen wir beide in der Nachmittagshitze im Dorfbahnhof vor uns hin, und kommen ins Gespräch. Stellen irgendwann fest, dass der Zug inzwischen 15 Minuten Verspätung hat. Und dass wir echt gearscht sind, wenn der Anschlusszug keine Verspätung hat.

Irgendwann kommt der Regionalexpress dann, und an dieser Stelle möchte ich deutsche Zugfahrer mal neidisch machen. Erstens: Klimaanlage, funktionierend. Zweitens: Der Schaffner begrüßt uns mit Namen. Das elektronische Ticket scannt er nicht ein, er kennt uns ja schon und weiß, dass wir ein Ticket haben. Und er versichert uns, dass wir den Anschlusszug erreichen. Drittens: Die 3,5h Zugfahrt (erst Regionalexpress dann InterCity) kostet 15€. Inklusive 1. Klasse. Die wir aber nicht wirklich nutzen, wir sitzen im Speisewagen. Schlürfen Kaffee und kühle Getränke. Für je 1,50€. Wir haben auf der Fahrt übrigens durchgängig Internet, meist 5G. Und habe ich schon erwähnt, dass ich in unserem Dorf in den Zug gestiegen bin? Also wenn ich mich recht entsinne, haben sie im Schwarzwald die Dorfbahnhöfe längst abgeschafft.

Wir sind so sehr am quatschen, dass ich es fast verpenne, in Lissabon auszusteigen. Na, ich schätze mal, dass wir daran im Herbst anknüpfen werden.

Ich bin also in Lissabon, und latsche abends um Elf zu dem Air Bnb Zimmer. Die Gastgeberin wohnt hier, vermietet zwei oder drei Zimmer, und so kann ich trotz halbstündiger Verspätung noch entspannt einchecken. Ich bin angetan, von einem großen, sauberen Zimmer, Snacks und Wasser, Klimaanlage und Wlan, und ich gönne mir erstmal eine Dusche.

Am nächsten Tag geht es erst einmal in den nächsten Supermarkt. Erstens brauche ich ein Frühstück, zweitens habe ich mein Ladekabel offenbar zu Hause vergessen, und drittens geht mein Flug erst mittags. Das mit dem Ladekabel wäre ja eigentlich kein Problem. Aber mein Telefon hat sich mangels Strom bereits abgeschaltet, und die Bordkarte ist in der App. Also hilft nichts, und ich investiere 26 Euro in ein Kabel, das bereits mehrfach in meinem Besitz ist. Sowas ärgert den Schwaben sehr.

Der vierstündige Flug hat natürlich eine halbe Stunde Verspätung, die wir aber bis Oslo wieder aufgeholt haben. Andre steht bereits in Reichweite des Flughafens und ich muss nur noch ein GO! Schreiben, schon kommt er angedüst und ich kann direkt am Flughafenausgang aufspringen.

Wir sind ja nun seit über 7 Jahren zusammen, und das weitestgehend jeden Tag – bis auf ein paar Tage, hier und da. Fünf Wochen sind da schon sehr ungewohnt – und für uns alle ein bisschen zu lange. Und das, obwohl wir uns ganz gut beschäftigen konnten. Ich mit meinem privaten Arbeitslager auf der Quinta Prazera, Andre hatte ja laufend irgendwelche Termine und Verabredungen. Was durchaus aufgegangen ist: ich wollte mir die 5000 Kilometer mit dem Laster nicht antun. Alleine an den Gedanken daran bekomme ich Rücken. Da waren die 7 Stunden reine Fahrt- und Flugzeit von der Quinta bis nach Oslo durchaus angenehmer.


Norwegen, erster Teil.

Erstmal ankommen. Also ab in den norwegischen Supermarkt und schauen, ob der wirklich so teuer ist, wie alle sagen. Ich sag’s mal so: man muss etwas aufpassen. Und, man muss nicht alles kaufen. Sonst geht es aber. Und wenn schon – schließlich haben wir ja einiges an Essen dabei, und auch für den Alkohol ist gesorgt. Ich habe den Beirao im Duty Free Laden am Lissabonner Flughafen gekauft, und Andre hat seinen guten Rum sogar ordnungsgemäß verzollt.

Für die Nacht stellen wir uns an einen See. Und bekommen wohl einen kleinen Vorgeschmack darauf, was uns Norwegen kosten wird: so einiges. Denn selbst der Freistehplatz im Nirgendwo ohne alles kostet 15 Euro. Und wird über Videomaut und online abgerechnet.

Dazu noch Sprit für den Laster und Maut für die Straße und teure Lebensmittel – also mit einem Hunni am Tag kann man hier locker rechnen – und das, ohne dass man Restaurants besucht oder teure Touriaktivitäten macht. Was für unsere Verhältnisse recht viel ist. Na dann schaun wir mal, wie lange das die Schwaben in uns mitmachen …


Bjørneparken

Tag 1, und wir sprengen das 100-Euro-Tagesbudget direkt! Wir besuchen den Bjørneparken, einen sehr bekannten Bärenpark. Der Nebensaison-Eintrittspreis liegt bei 35 Euro pro Nase.

Wir beginnen die Tour, mit ein paar Reptilien und Riesenschildkröten. Und ich habe die Vermutung, dass sie hier illegale / beschlagnahmte Riesenschildkröten aufnehmen. Denn davon gab es auffällig viele.

Bei den Reptilien bin ich mir immer etwas unsicher. Muss man ein Krokodil in einen Glaskasten stecken? Auch, wenn mir die Glaskasten hier relativ groß erscheinen, so kann das doch nicht artgerecht sein? Auf der anderen Seite: die meisten Krokos liegen regungslos unter der Wärmelampe. Ist ja vielleicht egal, wie groß der Glaskasten ist, wenn sie sich eh nicht bewegen? Oder bewegen sie sich nur deshalb nicht, weil der Glaskasten nicht groß genug ist?

Zumindest lagen diese hier von Anfang bis Ende unserer Tour vermutlich bewegungslos da.

Sie liegen aber wohl nicht immer nur regungslos da, wie diese Scheibe vermuten lässt. Das Schild besagt, dass das Panzerglas gut genug ist, und man sich keine Sorgen machen soll.

Man bekommt auf jeden Fall eine Idee, warum an wirklich jeder einzelnen Scheibe im Reptilienhaus angeschlagen steht, dass man nicht an die Scheibe klopfen soll. Da haben manche Leute wohl nicht Jurassic Parc gesehen. Ich sehr wohl, und deshalb erinnert mich dieser kleiner Kaiman hier sehr an diese knuffigen, kleinen, fiesen Mini-Dinos … Weißte Bescheid, oder?

Schön gestaltet ist das Ganze auf jeden Fall, wie dieses Terrarium beweist.

Und ein paar Tiere bekommt man in freier Wildbahn wohl (besser) nicht zu sehen, wie diese Python.

Keine Ahnung, ob der Waran zu Späßchen aufgelegt ist.

Begeben wir uns ins Außengehege. Dort bekommt man ein paar Braunbären zu sehen. Und ein paar andere wilde Tiere – die man vor allem dann zu Gesicht bekommt, ist gerade Fütterungszeit.

Die Bärenfütterung haben wir verpasst, und auch die Elche und Rentiere liegen nur faul und vollgefressen in der Gegend rum.

Dafür bekommen wir zu sehen, wie der Leopard ein überfahrenes Stück Wild per Zip-Line serviert bekommt.

Die anschließende Fütterung der Wölfe ist nicht ganz so Action geladen.

Die Luchse, die im Übrigen bestimmt 3x so groß sind wie die iberischen Luchse, die wir aus Portugal und Spanien kennen, sorgen da schon für mehr Action.

Inzwischen regnet es, und wir sind so ziemlich die einzigen Besucher, die keine Regenjacke eingepackt haben. Wir Anfänger. Nach ungefähr zwei Stunden sind wir aber ohnehin durch. Ist ein schöner Park. Und die Außengehege sind wirklich riesig. Alleine die beiden Wölfe haben drei Hektar für sich.

Gut, das Budget ist ohnehin schon gesprengt, da können wir auch noch was im parkeigenen Kuscheltierladen (=Elternhölle) kaufen.

So kommt Ziva zu einer kleinen, flauschigen Schildkröte. Die sie auch sofort tötet … ähm … adoptiert.

Wer in den Park möchte, hier die Webseite: https://bjorneparken.no/ Die Mitarbeiterin erzählt während der Fütterung was, auf Norwegisch und Englisch. Die Eintrittskarte zum Park ermöglicht eine kostenlose Übernachtung auf dem Parkplatz.


Fødalen

Wir fahren weiter gen Nordwesten. Noch haben wir so halbwegs Glück mit dem Wetter, denn es regnet inzwischen südlich von uns. Wir fahren durch ein weites Tal, das erst vor Kurzem von einem Hochwasser heimgesucht wurde. Man sieht anhand des Treibguts, dass das der jetzt volle Fluss bestimmt noch einen Meter höher stand. Und, dass die Campingplätze am Flussufer teilweise „umgestaltet“ wurden. Zumindest ein paar von den vielen Plätzen hat es wohl erwischt. Wohnwagen sind etwas „ungeordnet angeordnet“, hier und da liegt einer auf der Wiese. Ich denke, der gehört da nicht hin.

Wir verlassen das Tal und fahren den Berg rauf, in den Naturpark Fodalen. Und passieren die Videomaut-Schranke, die wir vom ersten Übernachtungsplatz bereits kennen.

Hier endet die geteerte Straße und es beginnt eine Piste, die wohl privat instant gehalten wird. Und die mautpflichtig ist. Daran müssen wir uns noch ein bisschen gewöhnen, dass die ungeteerten Pisten Maut kosten. Im Gegensatz zu unseren bisherigen Reiseländern ist hier einfach sehr viel in Privatbesitz.

Nach der Bezahlschranke kommt die organische Schranke.

Und immer wieder diese putzigen, kleinen Hütten mit der Wildblumenwiese als Eindeckung.

Wir legen einen kleinen Foto- und Gassistopp an einem See auf 1200m ü.d.M. ein, lüften die Köters und machen ein paar Fotos.

Dann fahren wir noch ein Stück, zu einem Stausee. An dessen Staumauer stellen wir uns dann hin, und hier bleiben wir auch. Der See läuft über, die Sonne hat kein Bock, es ist frisch, und nach einer Gassirunde geht es rein in die gute Stube.

Am nächsten Morgen fahren wir den Berg wieder runter. Durch eine Seenlandschaft, ein Skigebiet, eine schicke Gegend mit lauter Chalets und Skiressorts und alles.


Ziemlich alte Stabkirche und erster Fjord

Erstes Ziel des heutigen Tages ist die älteste Stabkirche weltweit. Bei Google auffindbar unter dem Suchbegriff „Borgund Stavkyrkje“. Erstmal sehen wir andere Wohnmobile und merken gleich: Hier spricht man Deutsch. Bestimmt die Hälfte der Fahrzeuge sind deutsche Wohnmobile, darunter auffällig viele gemietete Womos. Und der Anteil an Bullis und Kastenwägen ist sehr hoch.

Wir zahlen die 10€ Eintritt, schauen uns die Ausstellung an, und auch die Stabkirche.

Diese ist vermutlich 840 Jahre alt und aus Holz gebaut. Warum sie noch nicht weggegammelt ist? Erstens die traditionelle Bauweise – und hier fängt die Fachkenntnis bei der Auswahl des Holzes an. Zweitens die Imprägnierung – eine Mischung aus Harz und Holzkohle. Die macht das Antlitz der Kirche nicht schön, aber wohl witterungsbeständig.

Der Friedhof der Kirche wird übrigens noch aktiv genutzt. Das Familiengrab am Touri-Hotspot, auch recht speziell.

Neben dem alten Holzkonstrukt gibt es noch einen alten Holzglockenturm, ein Steinhäuschen mit dem hier so weit verbreiteten Grünzeugs als Dacheindeckung.

Und eine neuere Kirche. Auch aus Holz und schlicht, vermutlich also eher nicht katholisch.

Wir fahren weiter, und treffen auf unseren ersten Fjord. In der Ecke hier ist es im Prinzip wie folgt: Entweder es hat hohe Berge, teils mit steilen Hängen. Wenn möglich, geht eine Straße den Berg rauf, auf der anderen Seite wieder runter. Wo das unmöglich ist, geht ein Tunnel durch den Berg durch.

Dann gibt es hier alle Naselang einen Fjord. Hier und da kann der via Brücke überquert werden – wo das aber keinen Sinn macht, gibt es eine Autofähre. Und die sind für Technikfans recht spannend, denn es ist oftmals eine e-Fähre. Norwegen hat wohl bereits 3/4 seiner Fähren auf Elektroantrieb umgerüstet. Der Quickcharger, das ist das große graue Ding über der Weißware.

Sobald die Fähre an einer Seite des Fjords andockt, fährt die große, magnetische Ladesäule aus und lädt die Fähre nach. Was fehlt, es ist Brummen und Vibrieren, das Bötchen hier schwebt absolut geräuschlos übern Fjord. Feine Sache.


Jostedalsbreen Nasjonalpark (Übersetzung: Nationalpark weil Gletscher)

Naturgemäß ist so ein Fjord auf 0 Metern über dem Meeresspiegel. Naturgemäß schmelzen die Gletscher seit 40 Jahren oder so, sie befinden sich aber vermutlich schon länger nicht mehr auf Höhe des Meeresspiegels. Naturgemäß geht es nun also wieder rauf auf den Berg.

Ok, erst nicht, aber dann schon.

Es gibt hier generell viele Schafe, aber irgendwie scheinen die norwegischen Schafe nicht so krasse Herdentiere zu sein wie ihre portugiesischen Artgenossen. Meist ist es ein Muttertier mit 1-3 Jungtieren. Oder auch mal ein Minirudel. Besonders scheu sind sie auch nicht. Haben teilweise noch nichtmal Bock von der Straße zu gehen, wenn so ein 12-Tonner auf sie zu fährt.

Andre findet einen Platz, der NICHT bei Park4Night drin ist. Ein Plateau am Ende einer Schotterpiste, mit Blick auf den Gletscher. Und mit einem Rudel junger Kühe.

Hier also sind es Kühe. Jung, neugierig, und sehr an alten Hunden interessiert. Max findet das gar nicht lustig. Er hat ja schon keinen Bock drauf, wenn ihm ein Hund am Hintern schnüffelt. Und jetzt auch noch Kühe! Er entscheidet sich aber dafür nichts zu sagen, denn die Viecher sind schon sehr groß.

Ende August den Holzofen anmachen, das hatten wir schon lange nicht mehr.

Nach einer angenehm ruhigen Nacht fahren wir unseren Berg runter, und dann weiter das Tal hoch.

Andre hat noch nie einen Gletscher gesehen oder angefasst, das möchte er unbedingt nachholen. Ich war in meiner Jugend auf so einigen 3000er in den Alpen unterwegs, und die Gletschertouren waren halt schon das Langweiligste überhaupt. Assoziiere mit einer Gletscherwanderung das stundenlange Latschen über irgendwelche Schneefelder. Aber gut, vielleicht sind die heutigen Gletscher ja etwas spannender.

Bei der Zufahrt tut sich ein Mysterium auf: der Gletscherbach dampft! Warum? Wir kennen dampfendes Meer oder ein See, wenn das Wasser morgens wärmer ist als die Lufttemperatur. Aber kann ein Gletscherwasserbach wärmer sein als 15 Grad? Weiß das jemand?

Es gibt lustige, theoretische Überquerungsmöglichkeiten. Diese hier ist allerdings privat.

Der Gletscherbach ist beeindruckend und begleitet uns das Tal hoch. Rafting, Bodyrafting, und was alles noch angeboten wird – alleine bei dem Gedanken daran friert es uns.

Aber sieht ja schon geil aus, eine der schönsten Fahrstrecken überhaupt.

Der auserwählte Gletscher heißt „Nigardsbreen“. Denn hier kann man bis zum Gletschersee fahren. Man ahnt es schon, der letzte Kilometer ist mautpflichtig, heute mal mit Schranke. Das ist übrigens keine Kritik. Vielmehr eine Feststellung. Und vielleicht auch einer der Gründe, warum Norwegen ein reiches Land ist, während Portugal ständig pleite ist. Geschäftstüchtigkeit – die Portugiesen haben sie nicht erfunden. Was mir einerseits recht sympathisch ist. Andererseits würde etwas Geschäftstüchtigkeit einem Land, das grundsätzlich und ständig pleite ist, ganz gut zu Gesicht stehen.

Vom Parkplatz aus sind es 3 Kilometer bis zum unteren Ende der Gletscherzunge. Wir warten noch eine halbe Stunde, auf ein besseres Wetterfenster. Unsicher, ob er das packt und ob es ihm gut tut, nehmen den Seniorköter dann doch mit. Über einen gut frequentierten Pfad geht es hoch. Es ist ein bisschen Tetriswandern, hat man wie ich keine wasserdichten Wanderschuhe, sondern nur Sportschuhe an den Füßen. Denn alle paar Meter kreuzt ein Bächlein den Weg.

Also nein, ich meine nicht den reißenden Fluss, der aus der Gletscherzunge unten raus kommt und sich brausend ins Tal stürzt. Trittst du da rein, biste wahrscheinlich durch.

Erstaunlicherweise kommen wir trockenen Fußes oben an. Das untere Ende der Gletscherzunge scheint frisch abgebrochen zu sein, und angesichts der sommerlichen Temperaturen (es hat doch tatsächlich über 10 Grad, Juhu!) erwarten sie wohl weitere Abbrüche, und haben die Gletscherzunge großzügig abgesperrt. Andre ist etwas enttäuscht, wollte er den Gletscher doch nicht nur angucken, sondern auch anfassen. Ich empfehle ihm mal den kleinen Finger in den Gletscherbach zu halten, dann weiß er auch, wie kalt das ist. Ansonsten ist es halt Eis. Alt, kalt, dreckig. Unser zugeeistes Gefrierfach ist da besser beisammen.

Wir latschen also wieder runter. Und schau an, es lohnt sich, den Berg im Regenmantel hochzuschwitzen. Auf halber Strecke fängt es an zu regnen. Der Weg führt über teilweise recht glatte Felsplatten, die jetzt etwas rutschig werden. Und meine Sportschuhe mit einem Profil wie Slicks halten auch jetzt besser als Andres neue Wanderschuhe.

Klatschnass kommen wir unten an. Nasse Klamotten in die Dusche, Hunde unters Hundehandtuch, Haare trockenföhnen, einen Kaffee kochen. Manchmal hat es schon seine Vorteile, mit dem sperrigen Wohnmobil zu reisen. Die jungen Leute mit dem Fahrrad und dem nassen Pudel auf dem Gepäckträger haben es zumindest weniger komfortabel.

Zeit, weiterzufahren. Andre hat sich einen neuen Übernachtungsplatz ausgeguckt. Wieder auf 1000 Meter Höhe. An der Staumauer, mit Gletscherblick. Also, auf ein Neues: Wir fahren erst runter vom Berg, und dann wieder rauf aufn Berg.

Und verbringen auf 1000 Metern oder so eine ruhige Nacht mit Gletscherblick.

Der Ausblick ist super, allerdings hat es frische 6 Grad in der Nacht. Neben uns steht ein Bulli verlassen rum. Als da am nächsten Morgen immer noch keiner auftaucht schaue ich mal ins Auto rein, nicht dass da einer drin liegt. Ist aber leer. Vermutlich ein Bergsteiger, der oben auf der Hütte am Gipfel übernachtet. Im Idealfall.

Zeit, weiterzufahren. Andre hat sich einen neuen Übernachtungsplatz ausgeguckt. Wieder auf 1000 Meter Höhe. Ich lege ein Veto ein.

Also fahren wir noch etwas weiter, kommen so auf 150 Kilometer. Was echt viel ist, bei der hügeligen Gegend. Es ist weitgehend einspurig und steil und kurvig und regnerisch. Da fährt man keine 90, eher 50.

Am nächsten Morgen geht es runter vom Berg, und direkt rauf auf den nächsten. Das ist hier wohl so: man fährt hoch auf 1000 Höhenmeter, wo auch die Baumgrenze ist, und dann fährt man wieder runter auf 0 Höhenmeter, wo man auf das Meer, also auf einen Fjord trifft. Nur, um wieder hoch zu fahren. Den Berg runter sind wir dank Motorbremse konstant langsam. Die vielen Wohnmobile auf Ducato Basis müssen da etwas mehr auf ihre Bremsen aufpassen. Den Berg hoch sind wir dann aber auch konstant langsam. Was allerdings weniger an fehlender Power liegt, sondern vielmehr an den einspurigen Straßen mit Gegenverkehr.


Geiranger

1.700 Fjorde gibt es in Norwegen. Ein Fjord entsteht durch Gletscher. Norwegen hat bisher 40 Eiszeiten durchlebt, und jeder in so einer Eiszeit entstandene Gletscher hat den Fjord ein bisschen erweitert. Hat Steine wie Schmiergelpapier durch die Täler geschoben. So entstanden die Fjorde mit ihren steilen Hängen und tiefen Wasserständen. Gerade in der Ecke hier hat das Fjord grünes Wasser. Das kommt, wenn türkisblaues (=mineralhaltiges) Gletscherwasser in den Fjord fliest. Auf Youtube gibt es bestimmt eine Doku, die das besser erklären kann.

Wir fahren auf den längsten Fjord zu, den Geiranger. Unser Ziel ist der gleichnamige Ort am hintersten Zipfel des Fjords.

Hätte heute ja auch überhaupt keinen Sinn gemacht, sich auf den Berg zu stellen. Weil wie man sieht, sieht man nix. Erst als wir das Meer in der Nähe erblicken, sind wir unter den Wolken.

Wir parken heute mal auf einem Campingplatz ein. Auf 0,5m über dem Meeresspiegel. Für so eine Aussicht zahlen wir gerne 30 Euro für die Nacht. Und bleiben sogar zwei Nächte lang hier stehen.

Denn hier gibt es große Schiffe zu gucken. Fast jeden Tag rollt ein Kreuzfahrtschiff in den Hafen. Und der Anteil an deutschen Touris auf dem heutigen Schiff ist ähnlich hoch wie die Bewohner hier auf dem Campingplatz.

Das große hier spuckt dann auch ein paar tausend Touris aus. Als Andre sich das mal anschauen geht, sind es vornehmlich deutsche Gäste. Als ich eine Stunde später vorlatsche, sind es asiatische Urlauber. Ich gucke mir das ein bisschen an, und mache mir mein eigenes Bild. Die Leute an so Anlegehäfen von Kreuzfahrtschiffen beschweren sich doch immer, dass die Touris nicht vor Ort konsumieren würden. Ganz ehrlich? Ich würde auch kein Glas Honig für 25 Euro kaufen.


Trollstiegen

Wir fahren weiter. Ja, richtig geraten, es geht mal wieder den Berg hoch, das heutige erste Tagesziel liegt auf 700 Metern. Die sagenumwobenen Trollstiegen möchten heute besichtigt und befahren werden. Das Tourihighlight schlechthin in Norwegen, da muss man unbedingt hin. Sagen sie.

Also los. Ein Stück den Berg hoch, dann erstmal ein Gassi- und Fotostopp. Die Köters waren heute morgen noch nicht ordentlich auf Klo. Der Rasen war wohl zu feucht oder so, man weiß es nicht. Die Gassirunde am Wasserfall ist aber auch nicht wirklich ihre Sache.

Unterwegs treffen wir auf eine Klamm. Also Felsen, recht eng, mit einem Gebirgsbach, der sich durch die Steine durchdrückt. Ich hatte noch keinen Kaffee, und so gefällt es mir hier sofort.

Wir gucken uns das Wasser an, unauffällig arbeiten wir uns zu dem Café vor.

Dann gehen wir ins Café rein. Dann sehen wir die Preise. 5€ für eine Zimtschnecke, 7€ für ein Stück Kuchen. 12€ für ein Glas Marmelade. Wir verlassen das Café wieder.

Ansonsten ist die Fahrt zu den Trollstiegen echt nett. Und, man mag es kaum glauben: erstmals seit einer Woche scheint die Sonne!

Wir parken also unseren Laster zwischen die Reisebusse, Wohnmobile und Autos ein. Und machen uns auf den Weg zu den Aussichtsplattformen. Ja, plural. Die Aussicht muss so spektakulär sein, dass sie die Menschen aller Nationen hier hoch karren.

Ich stehe also auf der Plattform und frage mich, was ich hier eigentlich sehe. Der Blick ins Tal ist nett, der Wasserfall ist nett, die Straße runter ins Tal ist kurvig. Und nu? Die Bergformationen auf dem Weg hierhin fand ich jetzt irgendwie hübscher. Wasserfälle sehen von unten immer besser aus. Und so einen Serpentinenstraße, auf der zwei Reisebusse meist gemütlich aneinander vorbei kommen … Und dafür bauen sie ein massives Besucherzentrum in den Berg? Okay …

Wir kehren also um und kommen zum eigentlichen Highlight der Trollstiegen: das Softeis. So teuer wie eine Zimtschnecke, aber das brauchten wir jetzt. Und es war gut.

Fahren wir die Trollstiegen also runter. Das kann mit einem 2,55m breiten 12-Tonner durchaus interessant sein. Wir jedoch hatten quasi keinen Gegenverkehr. So war das für Andre Kinderfasching, fast schon langweilig.

Nett war es aber dennoch – denn, wie gesagt, Wasserfälle sind von unten viel geiler anzusehen.

Und so schließen wir für heute. Inzwischen sind wir den Berg wieder runter gefahren, stehen bei Nieselregen am Fjord. Ich schreibe besser morgen weiter, da soll die Sonne scheinen. Ganz bestimmt.


Ach ja, weil ich sonst wieder gefragt werde: den Köters geht es blendend.

Ziva hat einen neuen Spitznamen, wir nennen sie Gürteltier. Sie trägt jetzt die neueste Wintermode. Denn der südländische Hund ohne jegliche Winterwolle friert, fallen die Temperaturen unter 15 Grad.

Ansonsten hilft nur Bewegung. Wer rennt, der friert nicht. Sobald sie steht, zittert sie.

Max geht es dem Alter entsprechend auch gut.

Vor dieser Reise war er ja noch beim portugiesischen Tierarzt zu Gast. Dieser hat ihm zwei Zähne und einen bösartigen Tumor entfernt. Bis jetzt sieht es gut aus. Ihm tut der Sommer in der kühleren Klimazone definitiv gut. Er ist inzwischen in einem Alter, in dem er mit 40 Grad nicht mehr gut zurechtkommt.


Ach ja, was ich noch zum Thema Aufsitzrasenmäher sagen wollte.

Das Allererste, was mir, aus Portugal kommend, aufgefallen ist: frisch gemähte Rasen, soweit das Auge blicken kann. Mähroboter, Rasenmäher, Aufsitzrasenmäher. Es gehört hier offensichtlich zum guten Ton, seinen Rasen zu mähen. Sogar die Bauernhöfe haben rund um das Wohnhaus einen sauber gemähten Rasen. Da hätten die Bauern anderswo keinen Nerv zu. Leider habe ich es nicht geschafft, im Vorbeifahren einen der vielen Aufsitzrasenmäher zu fotografieren. Dafür ein Bild von einem typischen Vorgarten.

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